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Plädoyer für den runden Tisch

Alles im Kreis

Der runde Tisch ist der perfekte Kollaborationspartner. Ein Plädoyer für eine runde Sache.

Wie nähert man sich einem runden Tisch? Am besten gar nicht, würden einige sagen. Denn ein runder Tisch ist per se frei von Status und Hierarchie. Er impliziert Wahlfreiheit – ist quasi Form gewordenes Grundrecht.

Wohl deshalb wirkt der runde Tisch auf die meisten Menschen wie eine Befreiung. Betritt man einen Raum, zum Beispiel kurz vor einem wichtigen Treffen, zum ersten Mal, ist der runde Tisch ein großartiges Signal. Denn er ist ein erlösender Vorbote der Dinge, die da nicht kommen: Das Stirnseiten-Dilemma, die unbeliebte Eckposition, der Verlust des Blickkontaktes zu Gleichgesinnten.

Der runde Tisch erscheint wie ein einladendes Lagerfeuer. Der mythischste Platz des Zusammenkommens. Ein Urbild. Ganz tief in uns. In der Runde sitzen – gemeinsam im Kreis. Erfahrungen teilen, Pläne entwickeln. Aber auch Reflektion des Gegenübers und Kontemplation seiner selbst. Ein Zentrum des ewigen Seins und Werdens.

Sein für alle gleichermaßen erreichbarer Mittelpunkt versinnbildlicht das Ideal der Mitte, das wir im Zusammenwirken mit anderen Menschen suchen. Ein Schnittpunkt multiplexer Vorstellungen, die sich treffen, verbinden, verändern, verbessern, vergrößern und vermehren.

Der runde Tisch ist dabei alles andere als ein Organ des Mittelweges. Eröffnet gerade er uns doch die Chance, Unterschiedliches gleichwertig auf den Tisch zu legen. Für alle gleichermaßen sichtbar, bewertbar, verhandelbar. Er ist ein den Menschen zugewandter Schauplatz, Spielplatz, Marktplatz – und wahrt dabei freundlich seine Neutralität.

Vor allem aber ist der runde Tisch Hoffnungsträger. Wer an ihn eingeladen wird, darf davon ausgehen, dass das, was man teilen möchte, wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Im besten Fall verbindet sich an ihm die Gunst seines Ortes mit der Gunst der Stunde.

Die Aura des runden Tisches bleibt bei allen Annäherungsversuchen unerklärlich. Es mutet an, dass seine weiche, glatte, organische Form uns nicht nur warme, vertrauensvolle haptische Signale sendet, sondern zudem ein in seiner Mitte unsichtbar verborgener magnetischer Pol uns unweigerlich in seinen Bann zieht.

Die Wirkung des runden Tisches ist die vielleicht am meisten unterschätzte Eigenschaft bei der Formgebung und Ausstattung unserer direkten Lebensumgebung. In einer Zeit, in der wir immer mehr auf das gemeinsame, offene und spontane Zusammenwirken unserer unterschiedlichen Talente setzen, brauchen wir Verkörperungen, die diesem Wesen entsprechen.

Der runde Tisch lädt uns ein, „aus unseren Ecken“ herauszukommen und gemeinsam neue Mitten zu finden. Wir sollten auf ihn setzen, denn er ist ein Kollaborationspartner, der immer in Bestform ist.