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Klimawandel im öffentlichen Raum

Das Vakuum füllen

Der öffentliche Raum ist der größte Raum der Möglichkeiten. Wir sollten ihn nutzen, um die Auswirkungen des Klimawandels auch gestaltend sichtbar zu machen.

Deutschland, Freitagmittag. Die Schülergruppen haben ihre Aktion beendet, vereinzelt stehen noch kleine Diskussionsgruppen, lösen sich auf. In den Messenger-Diensten läuft schon die Nachschau: Aktuelle Posts, nächste Pläne. Der Rathausplatz, eben noch Resonanzraum, bleibt bis zur nächsten Aktion in zwei, drei Wochen – aktionsfreier öffentlicher Raum.

Die Frage: Können wir uns dieses öffentliche Aktionsvakuum eigentlich leisten? Auf zentralen Plätzen, in Museen, Bibliotheken, Fußgängerzonen, Bahnhöfen?

Es fällt auf, dass die Recherche nach sichtbaren Ideen im öffentlichen Raum, die – abseits der ambitionierten Aktionen junger Menschen – zu einem Klimawandel-Diskurs beitragen, unergiebig ist.

Dabei kann es so einfach sein: Die Amerikanerin Mary Miss hat bereits 2007 mit „Connect the Dots“ potentielle Überschwemmungsgefahren sichtbar gemacht, indem sie runde, blaue Markierungen im öffentlichen Raum anbrachte, welche die Höhengrade potentieller Überflutungen in Colorado kennzeichneten. Höhen, die nicht willkürlich gewählt, sondern auf der Basis wissenschaftlicher Daten bemessen wurden.

Oder der Däne Martin Ersted: Er übersetzte die faszinierenden, ikonischen „Warming Stripes“ des britischen Klimawissenschaftlers Ed Hawkins in eine Lichtinstallation, die zum prägenden Objekt des Copenhagen Light Festival 2019 wurde. Bemerkenswert: Beide Aktionen wurden möglich durch das produktive Zusammenwirken von Künstlern, Kommunen und der Wissenschaft.

Darstellung der Erderwärmung: „Warming Stripes“ für Deutschland von 1881 -2018

Den Wandel im öffentlichen Raum begreifbar machen

Im Kern geht es um die Diskussion der Positionierung politischer Entscheider und leitender Akteure im öffentlichen Raum. Sie müssen sich fragen, wie die Auswirkungen des Klimawandels auch in diesem größten Raum der Möglichkeiten diskutiert werden können – mit innovativen Ideen, Formen und Formaten.

Denn: Die Frage, die jeden Freitag im öffentlichen Raum steht: “Why should I be studying for a future that soon may be no more, when no one is doing anything to save that future?” wird sich immer mehr von ihrer Urheberin lösen. Und sich dafür im Mindset einer ganzen Generation hochsensibilisierter junger Menschen verankern. Nur ein sichtbares, fühlbares und erlebbares „Wir haben verstanden“ aller Städte und Kommunen kann dieses Vakuum füllen.

Es ist die Chance, die Diskussion im öffentlichen Raum durch Zeichen, Formen, Formate, Bilder, Räume, Module, Installationen, Ausstellungen, Architektur bis zur akustischen Interpretation gestaltend zu begleiten – und zu bereichern.

Gefragt sind Impulse, die Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst und Kultur bestärken, gemeinsam neue Vermittlungskontexte zu gestalten: Öffentliche Wettbewerbe, die einladen, sich dem Thema öffentlich „raumgreifend“ zu nähern. Tourismus-Strategien mit dem Ziel, sich auch gestaltend mit dem Zukunftsthema unserer Zeit zu verbinden. Konzepte, die Nutzer des kommunalen Nahverkehrs täglich in den Bahnhöfen in ihrem Verhalten bestätigen, Teil einer klimaschonenden Mobilitäts-Avantgarde zu sein.

Es ist nicht mehr und nicht weniger als die Aufgabe, die potentiellen Auswirkungen des Klimawandels dauerhaft im öffentlichen Raum begreifbar zu machen. Die Diskussion zu verstetigen und, so paradox es klingen mag, Reminder für die Zukunft zu schaffen. So wie die obige Karte: Es ist nicht mehr und nicht weniger als ihre Aufgabe, uns daran zu erinnern.